Publikation «Waschen und Falten», erschienen in der Edition Clandestin, 2022. © Selina Ursprung
Selina Ursprung
Projektbeitrag 2022
Selina Ursprung (*1993) ist in Biel aufgewachsen, studierte Visuelle Kommunikation an der Hochschule der Künste in Bern und absolvierte im Sommer 2023 den Master Illustration an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle.
2022 unterstützt die Manuela Wurch Güdel Stiftung die Künstlerin mit einem Projektbeitrag, der die Veröffentlichung der Publikation «Waschen und Falten» möglich macht. Während des Lock-Downs sass Selina Ursprung in ihrer Wohnung in Halle am Computer und guckte über installierte Kameras Szenen aus Waschsalons rund um die Welt. Hier entdeckt die Künstlerin das Tun von Menschen, die ihr zwar fremd sind, deren Handlungen ihr aber vertraut sind. Das Prinzip Wäsche in eine Trommel zu füllen, Waschmittel dazu zu geben, die Maschine zu schliessen und in Gang zu setzen, deckt sich in Städten weltweit. Rund um die Uhr sind Waschsalons zugänglich. Die Zeichnerin, verortet in Halle, beobachtet die Menschen, die sie nicht kennt, während sie auf ihre Wäsche warten. Werden sie noch eine zweite Trommel befüllen, oder sich mit jemandem treffen? Genau dokumentiert die Künstlerin die Zeit und den Ort der Kameraufnahme.
Die Zeichnungen, die als Cartoonband erschienen sind, strahlen eine eigentümliche Intimität aus, wer sie anschaut wird selber zur Voyeur*in und beobachtet mit der Zeichnerin zusammen fremde Menschen, um deren Tun und Anwesenheit mit der nächsten Szene wieder zu verlieren und in neue unbekannte Realitäten hinein zu schauen. Einen grossen Anteil der Geschichte schreibt die Fantasie der Betrachterin. Selina Ursprung positioniert sich mit diesem Projekt selber in einem Zwischenraum als Beobachterin und Handelnde. Indem sie auf das Papier bringt, was sie losgelöst vom eigentlichen Kontext auf der Spur der Kamera wahr nimmt, gibt sie dem Gesehenen, das sie in ihren Raum aufnimmt, ein eigenes Gewicht. Das Verwandeln der Handlung fremder Menschen in eine abstrakte Zeichnung, dieser Transfer, macht es aus, dass etwas Allgemeines in der menschlichen Existenz angesprochen wird.
Text © Anna Bürkli